Gabriele Münter

Gabriele Münter, geboren am 19. Februar 1877 in Berlin, war eine deutsche Malerin. Neben Paula Modersohn-Becker gilt sie als eine der bedeutendsten Künstlerinnen des deutschen Expressionismus.

Ausbildung und frühe Jahre


Gabriele Helene Henriette Münter wird am 19. Februar als viertes Kind eines Zahnarztes und einer Hausfrau in Berlin geboren. Bereits als junges Mädchen erlebt sie, wie ihr Vater stirbt. Mit 20 Jahren beginnt sie ein Zeichenstudium in Düsseldorf, kehrt jedoch noch in dem Jahr zurück nach Koblenz, als ihre Mutter erkrankt und noch im Winter verstirbt.
In den darauffolgenden Jahren unternehmen Gabriele und ihre Schwester Emmy Münter verschiedene Reisen zu Verwandten in den USA, wobei erste Fotografien Münters mit einer Boxkamera entstehen. Nach Rückkehr nach Deutschland 1901 lässt sich Gabriele Münter in München nieder und schreibt sich in der neu gegründeten Malschule „Phalanx“ ein, wo sie rasch den „Abendakt“ Wassily Kandinskys besucht. Mit dieser Klasse findet im Sommer darauf eine Studienreise nach Kochel statt, wo Münter erstmalig in der freien Natur arbeitet. Hier intensiviert sich die Beziehung von Münter und Kandinsky maßgeblich.

Reisen mit Wassily Kandinsky


Im Winter 1904 reisen Kandinsky und Münter gemeinsam nach Tunis, wo sie bis April des darauffolgenden Jahres weilen.
Daraufhin geht es für einen mehrwöchigen Aufenthalt nach Dresden. Den Herbst verbringt Münter alleine in Dresden. Ende des Jahres 1905 folgt eine Reise nach Rapallo, wo das Paar mehrere Monate bleibt. Aufenthalte in Paris und Sévres folgen 1906. Im Pariser „Salon des Indépendants“ werden 1907 sechs Ölbilder Münters ausgestellt, ihr Werk wird hier erstmalig international gezeigt. Der Kölner Salon Lenoble stellt 1908 64 ihrer impressionistischen Gemälde aus. Im Sommer dieses Jahres reisen Kandinsky und Münter erst durch Südtirol und entdecken später im Münchner Umland den Ort Murnau am Staffelsee. Es folgt eine längere Arbeitszeit mit Jawlensky und Werefkin in Murnau, wobei sich alle Künstler im Gasthof „Griesbräu“ einquartieren und diesen öfter in ihren Arbeiten abbilden.

Die Neue Künstlervereinigung München und der Blaue Reiter


Aus dem intensiven Austausch der Künstlerkreise um Werefkin und Jawlensky gründet sich 1909 die „Neue Künstlervereinigung München“ (NKVM), zu deren Gründungsmitgliedern auch Münter zählt. Den Sommer verbringt das Künstlerpaar erneut in Murnau, wo Münter letztlich ein Haus in der Kottmüllerallee erwirbt. Im Dezember findet in der Galerie Thannhauser in München eine große Ausstellung der NKVM statt, bei der die Künstlerin mit einer hohen Anzahl an Werken vertreten ist. Die Austellung wandert durch zahlreiche deutsche Städte und sorgt für Bekanntheit der Künstlervereinigung.
Zwei Jahre später distanzieren sich Gabriele Münter, Wassily Kandinsky, Marianne von Werefkin, Alexej von Jawlensky und Franz Marc von der NKVM und gründen gemeinsam die Ausstellungsgemeinschaft „Blauer Reiter“.
Als bis dato größte Einzelausstellung Gabriele Münters eröffnet Herwarth Walden 1913 in seiner Berliner Galerie „Sturm“ eine große Retrospektive mit 84 Gemälden von 1904 bis 1913. In reduzierter Form ist diese Ausstellung danach noch in München, Kopenhagen, Frankfurt, Dresden und Stuttgart zu sehen.

Erster Weltkrieg und Trennung von Kandinsky


Mit Ausbruch des ersten Weltkriegs 1914 reisen Münter und Kandinsky sofort in die Schweiz, wo sie weitere russische Verwandte Kandinskys im Exil treffen und sich vorerst in Mariahelden bei Goldach aufhalten. Im November reist das Paar weiter nach Zürich, wo von dort aus Kandinsky zurück in sein Heimatland Russland aufbricht. Gabriele Münter bleibt vorerst in Zürich. Sie reist im folgenden Frühjahr in der Hoffnung nach Schweden, dort ihren Lebensgefährten wiederzutreffen. Dieser trifft allerdings erst im Dezember des Jahres in Stockholm ein. Im März 1916 bereits reist Kandinsky wieder nach Moskau. Der Kontakt des Paares wird immer weniger, bis er schließlich 1917 vollends abbricht. Erst 1921 erfährt Gabriele Münter, dass Kandinsky zwischenzeitlich Nina Nikolajewna Andreevskaja geheiratet hat.

Rückkehr nach Deutschland


Trotz einiger Ausstellungen in Skandinavien bleibt ein kommerzieller Erfolg der Künstlerin aus. 1920 kehrt sie zurück nach Deutschland in ihr Haus in Murnau, welches zwischenzeitlich anderweitig bewohnt wurde. In dieser Zeit der Einsamkeit ist das künstlerische Schaffen Münters stark reduziert. Die folgenden Jahre verbringt die Künstlerin in Murnau, Elmau, Berlin und bei ihren Geschwistern.
1927 lernt sie Dr. Johannes Eichner auf einer Silvesterfeier kennen. Der Kunsthistoriker und Philosoph lebt in Berlin. Dies verleitet Münter dazu, ihren zeitweisen Wohnsitz dorthin zu verlegen. 1930 reist die Künstlerin für einen längeren Aufenthalt nach Paris, da sie sich dort neue Inspiration für ihre Arbeit erhofft. Eichner besucht sie dort im Juli des Jahres. Das Paar kehrt erst Ende des Jahres zurück nach Berlin.

Nationalsozialismus


1933 beginnt Eichner in Murnau mit der Sichtung des gesammelten Oeuvres von Gabriele Münter. Daraus entwickelt er die Idee einer Übersichtsausstellung, die folglich in Bremen im „Paula Modersohn-Becker-Haus“ in Bremen unter dem Titel „Gabriele Münter. 1908 – 1933“ eröffnet wird und danach für drei Jahre durch etliche Museen und Kunstvereine wandert. Um unter dem Regime der Nationalsozialisten weiter ausstellen zu dürfen, tritt sie in die Reichskammer der bildenden Künste ein. Da ihre Arbeiten in keiner musealen Sammlung vertreten sind, werden 1937 keine ihrer Werke auf den Ausstellungen „Entartete Kunst“ bzw. der „Großen Deutschen Kunstausstellung“ diffamiert oder glorifiziert. Nichtsdestotrotz wird ihr expressionistischer Malstil zunehmend kritisiert. Mit dem Erlass des „Gesetz[es] über die Einziehung von Erzeugnissen entarteter Kunst“ sorgt Münter für ein sicheres Versteck ihrer Kunstsammlung, welche unter anderem Frühwerke von Wassily Kandinsky, Franz Marc, Paul Klee, Alfred Kubin und weiteren beinhaltet. Auch nach mehrfachen Hausdurchsuchungen wird diese im Keller des Hauses in Murnau nicht gefunden.

Späte Jahre


Ihre erste Ausstellungsbeteiligung nach dem Weltkrieg wird 1949 von Ludwig Grote im Grote im Auftrag der Bayerischen Staatsgemäldesammlungen initiiert, der die Ausstellung „Blauer Reiter“ im Haus der Kunst in München mit Gabriele Münter im Ehrenausschuss. Ein Jahr später eröffnet im Braunschweiger Kunstverein die von Johannes Eichner kuratierte Ausstellung „Gabriele Münter. Werke aus fünf Jahrzehnten“, die in insgesamt über 20 deutschen Städten zu sehen ist. Zudem ist sie 1950 auf der 25. Biennale in Venedig und 1955 auf der I. documenta in Kassel vertreten. Sie bekommt nun endlich die von ihr lang ersehnte öffentliche Anerkennung als Wegbereiterin der modernen Kunst.
Anlässlich ihres 80. Geburtstags schenkt sie 1957 den von ihr verwahrten künstlerischen Nachlass Wassily Kandinskys, welcher über 90 Ölmalereien, 330 Zeichnungen, Aquarelle und Temperablätter, 29 Skizzenbücher, 24 Hinterglasbilder und das fast vollständige druckgrafische Werk des Künstlers umfasst, der Städtischen Galerie im Lenbachhaus. Zu ebendiesem Anlass eröffnet eine große Ausstellung im Lenbachhaus mit Titel „Kandinsky und Gabriele Münter. Werke aus fünf Jahrzehnten“, welche über 230 der Öffentlichkeit bisher unbekannte Werke präsentierte. Weitere Jubiläumsausstellungen finden das gesamte Jahr über in Deutschland und international statt.
Am 11. Februar 1958 stirbt Johannes Eichner nach einem Hirnschlag. Danach lebt Münter immer zurückgezogener in Murnau und arbeitet fast ausschließlich nach früheren Vorlagen. Gabriele Münter stirbt am 19. Mai 1962 in ihrem Haus in Murnau. In ihrem Testament verfügt sie über die Gründung der „Gabriele Münter- und Johannes Eichner-Stiftung“, einem mittlerweile bedeutenden Forschungszentrum der deutschen Kunst des frühen 20. Jahrhunderts.

Sie hat zeit ihres Lebens das Große Bundesverdienstkreuz, den Kunstpreis der Stadt München für Malerei und die Goldene Ehrenmünze der Stadt München als Auszeichnung für ihr Lebenswerk erhalten.

Rote Wolke mit Haus, 1910, Oil on cardboard, 33 × 40,7 cm

Vita

1877
Gabriele Münter is born in Berlin on February 19.
1886
Death of the father and prolonged absence of the mother.
1897
Begins drawing studies in Düsseldorf, returns to Koblenz due to mother's illness.
1898/1900
Several trips to and within the U.S. to stay with maternal relatives and her sister Emmy. During this time, various drawings and photographs of people and landscapes are made.
1901
Begins art studies in Munich with Maximilian Dasio and later in Angelo Jank's act class. In winter she takes a sculpture course with Wilhelm Hüsgen and the course "Evening Act" with Wassily Kandinsky in the newly founded painting school "Phalanx".
1902
First stay in Kochel with Kandinsky's painting class and work in the open air.
1903
During a stay in Kallmütz with the painting school "Phalanx" Münter experiments with first palette studies in oil after the free environments. From November she rents a studio in Munich, where she temporarily works together with Emmy Dresler.
1905/06
Travels to Tunis with Kandinsky from December 1904 to April 1905, then stays in Dresden. At the end of the year, joint trip of several months to Rapallo. In 1906, stays in Paris and Sévres follow.
1907
Six of her oil paintings are exhibited for the first time at the Paris "Salon des Indépendants". After a stay in Bonn, the couple moves to Berlin, where they become acquainted with Rudolf Steiner and his anthroposophical teachings.
1908
Cologne-based Salon Lenoble exhibits 64 of Münter's paintings. In the summer, the couple travels through South Tyrol and makes discovery of the town of Murnau am Staffelsee. A longer working period with Jawlensky and Werefkin follows in Murnau, with the artists staying at the "Griesbräu" inn.
1909
Founding of the "Neue Künstlervereinigung München" (NKVM), of which Münter is one of the founding members. Another summer stay in Murnau, where Münter buys a house in the Kottmüllerallee. First major exhibition of the NKVM at the Thannhauser Gallery in Munich, where the artist is represented with a large number of works.
1911
Withdrawal of Münter, Kandinsky, Werefkin, Jawlensky and Marc from the NKVM and founding of the community "Blauer Reiter".
1913
Herwarth Walden opens a large retrospective of 84 paintings from 1904 to 1913 in Berlin's "Sturm" gallery. The exhibition is shown in reduced form in Munich, Copenhagen, Frankfurt, Dresden and Stuttgart.
1914
With the outbreak of World War I, Kandinsky and Münter immediately leave for Switzerland, from where Kandinsky leaves for Russia.
1915
Trip to Sweden in the hope of a reunion with her partner Kandinsky. He does not arrive until December. In the meantime, another retrospective in the "Sturm" gallery.
1917
Contact with Kandinsky breaks off. Only later does Gabriele Münter learn that he has married Nina Andreevskaja that year. Move from Stockholm to Copenhagen.
1918
The artists' association "Den Frie Udstilling" organizes an exhibition with 120 works by Münter.
1920/1925
Return to Germany. Her artistic output is greatly reduced.
1927
Acquaintance with the philosopher and art historian Dr. Johannes Eichner.
1928
The relationship with Eichner intensifies, at times Münter lives in Berlin.
1930
Münter travels to Paris in hopes of finding artistic inspiration. Eichner and Münter spend the summer and fall in France.
1933
Sighting of Gabriele Münter's oeuvre in Murnau by Eichner. This is followed by the exhibition "Gabriele Münter. 1908 - 1933" in the "Paula Modersohn-Becker-Haus" in Bremen. Admission to the Reich Chamber of Fine Arts so that she may continue to exhibit under the rule of the National Socialists.
1936
Eichner moved to and renovated the house in Murnau, whereupon the house becomes his property.
1937
Neither in the exhibition "Degenerate Art" nor in the "Great German Art Exhibition" Gabriele Münter is represented, because her works are not represented in any German museum collection. Her work is increasingly criticized by politicians and the public.
1938
After the enactment of the "Law on the Confiscation of Products of Degenerate Art," Münter hides her art collection with early works by Kandinsky, Marc, Klee, Kubin and others in her cellar, where it is not found in spite of several house searches until the end of the war.
1939/1945
The couple remains in seclusion in Murnau during the Second World War.
1949
A large "Blauer Reiter" exhibition opens, with Gabriele Münter on the honorary committee. On September 3 the ceremonial opening is held in the Haus der Kunst in the presence of numerous protagonists of the art of classical modernism.
1950
An exhibition conceived by Eichner, "Gabriele Münter. Works from Five Decades" opens at the Braunschweig Kunstverein and can be seen for several years in a total of 22 cities. 3 of her works are exhibited at the 25th Venice Biennale.
1955
Gabriele Münter is represented at the I. documenta in Kassel.
1957
On the occasion of her 80th birthday, she donates Wassily Kandinsky's artistic estate, which includes more than 90 oil paintings, 330 drawings, watercolors and tempera sheets, 29 sketchbooks, 24 reverse glass paintings and the artist's almost complete graphic works, to the Städtische Galerie im Lenbachhaus. In conjunction with this, the Lenbachhaus is opening an exhibition "Kandinsky and Gabriele Münter. Works from Five Decades," which presents over 230 works previously unknown to the public. Further exhibitions take place throughout the year.
1958
On February 11, Johannes Eichner dies after suffering a stroke. Thereafter Münter lives more and more withdrawn in Murnau and works increasingly after earlier models.
1962
On May 19, Gabriele Münter dies at her home in Murnau. In her will, she decrees the establishment of the "Gabriele Münter and Johannes Eichner Foundation," an important art historical research center. She is the recipient of the Grand Cross of Merit of the Federal Republic of Germany, the Art Prize of the City of Munich for Painting and the Golden Medal of Honor of the City of Munich.