Holzfigur mit Tulpen, Verso: Zwei liegende Mädchen auf einem Bett - Hermann Max Pechstein

Hermann Max Pechstein

Die Arbeit entstand im Atelier Offenbacher Str. 8 zwischen Januar und März 1914.


Max Pechsteins Doppelgemälde „Zwei liegende Mädchen“ versinnbildlicht die Formen- und Farbstilistik der Künstlergruppe Brücke, deren Mitglied er ab 1906 war. Zwei Frauen liegen vertraulich nebeneinander auf einem Bett mit leuchtend roten Laken – eine bekleidet, die andere nackt. Ihre Körper heben sich hell leuchtend von der Umgebung ab, was sich durch die kraftvolle Farbwahl und den dynamischen Pinselduktus intensiviert.

Die Komposition vermittelt eine intime, beinahe träumerische Atmosphäre. Die Kontraste zwischen den hellen Hauttönen und den schwarzen Haaren, der hellen Bluse und des dunklen Rockes mit der dominanten roten Farbfläche erzeugen eine spannungsgeladene Bildwirkung, die in den Tiefenraum hineinwirkt. Die Künstler der Brücke wollten sich von akademischen Kunsttraditionen lösen und eine neue, freie Form des Ausdrucks finden. Sie setzten auf eine betonte Vereinfachung der Formen, eine ungebrochene, expressive Farbigkeit und eine rohe, unmittelbare Malweise. Genau diese Gedanken erkennt man in den stark vereinfachten Gesichtsformen und kantigen Körpern der Mädchen.

Das links liegende Mädchen trägt eine weiße Bluse und einen dunklen Rock. Sie liegt mit leicht nach hinten geneigtem Kopf auf dem roten Bett, ihr rechter Arm ruht entspannt auf der Unterlage. Ihr Gesicht ist stark stilisiert, mit dunklen, fast leeren Augen und betonten Lippen. Sie liegt dort wie eine traumhafte, entrückte Erscheinung. Die weite Bluse und der enganliegende Rock betonen ihre Körperhaltung, gleichzeitig unterstreichen sie ihre zurückhaltende Sinnlichkeit.

Im Gegensatz dazu liegt das nackte Mädchen rechts deutlich ungezwungener auf dem Bett. Ihr Oberkörper ruht auf den Beinen der anderen, ihr Gesicht ist halb verborgen auf ihren eigenen Armen gebettet, der Blick weich und nach innen gekehrt. Ihre Anschmiegsamkeit suggeriert eine Intimität und Geborgenheit, die man als Betrachter kaum stören möchte. Besonders auffällig ist die rohe, skizzenhafte Malweise ihres Körpers, die ihren nackten Zustand betont, jedoch trotzdem nicht naturalistisch ist. Ihre Haut ist nicht in klassischen Fleischfarben, sondern mit expressionistischen Tönen aus Gelb, Grün und Rosa modelliert. Sie bestimmt die emotionale Präsenz im Gesamtgefüge des Bildes.

Die Darstellung beider Mädchen wird durch Pechsteins expressive Farbwahl und seine ungeschönte Darstellungsweise viel mehr als nur eine bloße Momentaufnahme – einem Sinnbild menschlicher Emotionen und Beziehungen, zwischen Nähe und Distanz, zwischen Sinnlichkeit und Melancholie.



Die „Holzfigur mit Tulpen“ von 1914 zeugt von Pechsteins Beschäftigung mit außereuropäischer Kunst, insbesondere mit der sogenannten „primitiven“ Kunst aus Ozeanien und Afrika. Im Zentrum des Bildes stehen eine dunkle, grob geschnitzte Holzfigur und ein Topf mit leuchtend orangefarbenen Tulpen auf einem Tisch. Die Holzfigur ist archaisch, fast kindlich und mit groben, eckigen Zügen stilisiert. Sie steht frontal zum Betrachter, mit leicht weggeneigtem Blick und herabhängenden Armen. Die Tulpen ragen mit ihren geschwungenen Stängeln und offenen Blüten hoch in den Raum hinein und beugen sich sanft in Richtung der Holzfigur. Vor dieser wiederum liegen Orangen und eine aufgebrochene Kokosnuss. Die Farbpalette des Gemäldes ist intensiv und expressionistisch: Tiefes Grün und dunkles Blau im Hintergrund verleihen dem Bild eine fast mystische Tiefe, während die warmen Farbtöne der Tulpen und Früchte Lebendigkeit erzeugen.



Die Brücke-Künstler, darunter Pechstein, Ernst Ludwig Kirchner und Karl Schmidt-Rottluff, suchten in der außereuropäischen Kunst nach Ursprünglichkeit, Spontaneität und einer direkteren Ausdrucksweise, die sie als Gegensatz zur westlichen akademischen Tradition empfanden. Die rohe, expressive Gestaltung der Holzfigur zeigt, wie Pechstein diese Einflüsse als eigenständige Ausdrucksmittel nutzt. Die Holzfigur erinnert stark an die Schnitzkunst der Südsee, mit der sich Pechstein während seiner Reise nach Palau (1913/14) intensiv auseinandersetzte. Beiden Motiven dieser Leinwand liegt ein weiterer Ansatz zugrunde: die Reflexion und der Einfluss der französischen Moderne – insbesondere von Paul Gauguin und Henri Matisse – sowie Pechsteins Faszination für das Ungekünstelte und Ursprüngliche.

Die lockere, fast skizzenhafte Malweise und die kraftvolle Farbigkeit stehen ganz im Sinne der Brücke-Bewegung, die sich gegen die Konventionen der traditionellen Malerei aussprach und stattdessen eine unmittelbare, emotionale Bildsprache suchte.

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